02.12.2020 | Gründungs- und Innovationregion FrankfurtRheinMain

„Weniger Hype, mehr Substanz“ – Warum FrankfurtRheinMain für den Digitalisierungsexperten Robert Ermisch ein (fast) idealer Platz zum Leben und Arbeiten ist

(C) Lisa Funke

Vor 15 Jahren zog es Robert Ermisch, den Darmstädter mit Thüringer Wurzeln, in das Rhein-Main-Gebiet. Er startete bei einem bekannten Telekommunikationskonzern, in dem er auch seine jetzige Frau kennenlernte. Jahre später folgte die Familiengründung mit Tochter und Sohn, der dieses Jahr eingeschult wurde. Vor kurzem hat sich der 41-jährige Experte für Digitalisierung im industriellen Mittelstand selbstständig gemacht. Ein geeignetes Betreuungsangebot für seine Kinder in Darmstadt zu finden, war für ihn heute wie damals schwierig. 

Glückslotterie Kitaplatz – Gibt es Alternativen in Rhein-Main?

Ein zentrales System zur Platzvergabe in städtischen Kitas gab es 2008 noch nicht, als Robert Ermisch seine Tochter in einer Betreuungseinrichtung anmelden wollte. Stattdessen besuchte er mit seiner Frau Kita nach Kita und ließ sich in Wartelisten eintragen. „So lernte man gleich die Einrichtungen und ihre Konzepte kennen“, erinnert er sich. Einen Platz erhielten sie mit viel Glück letztendlich im Betriebskindergarten seines Arbeitsgebers. Als Ermisch dann vor ein paar Jahren erneut einen Platz für seinen Sohn suchte, hatte sich scheinbar wenig geändert. Zwar gab es mittlerweile ein Anmeldesystem für städtische Kindergärten, doch auch damit lief nicht alles rund. „Als Antwort auf unseren Antrag erhielten wir eine E-Mail. In der stand, dass uns nun ein Platz zur Verfügung stehe“, berichtet der Familienvater. Da war sein Sohn bereits einige Zeit in der Betriebskita seines Arbeitgebers in Betreuung. 

Neben einer koordinierten Platzvergabe wären mehr Transparenz und Sichtbarkeit für die Betreuungsangebote hilfreich gewesen, sagt Robert Ermisch. Ein Wunsch, der zur Einschulung seines Sohns und der Suche nach einem Hort dieses Jahr wieder aktuell wurde. Ob Kita oder Hort, wichtig ist nach Ermischs Ansicht, jedem Träger die gleiche Präsentationsplattform zu bieten, damit sich Eltern einfacher und besser informieren können. „Hier besteht aus meiner Sicht ein Transparenz- und Informationsproblem.“ Ob der Vorschlag der Perform Initiative Qualität und Leistung der Einrichtungen durch einen breiteren marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu fördern, Früchte tragen wird? Robert Ermisch hofft es für alle Eltern, die künftig nach Betreuungsmöglichkeiten suchen.

Raus aufs Land oder doch lieber Stadt?

Neben der Herausforderung, die passenden Betreuungsplätze für seine Kinder zu erhalten, stand Robert Ermisch vor einer weiteren Herausforderung, die viele Familien in den Ballungsräumen des Rhein-Main-Gebiets kennen dürften: das Finden einer passenden Wohnung. In Darmstadt nimmt er wahr, dass zunehmende Verdichtung und unzureichende Neubauflächen zu Wohnungsmangel und stetig steigenden Mieten und Grundstückspreisen führen. Doch Ermisch hatte bei der Wohnungssuche wie auch bei den Kitaplätzen Glück – ihm half sein Bekanntennetzwerk weiter. 

Ob er sich vorstellen könne, raus aufs Land zu ziehen? Ja, das wäre schon was, gesteht Robert Ermisch. An den Wochenenden ist er gern mit seiner Familie im Odenwald unterwegs. „Die Natur, die frische Luft – man bekommt schnell den Kopf frei“, schwärmt der 41-Jährige. Mehrfach haben er und seine Frau darüber nachgedacht, dorthin zu ziehen – und die Idee wieder verworfen. Eine schwierige Anbindung an die Stadt und die angrenzenden Regionen haben für sie dagegengesprochen. Im Prinzip, so Ermisch, quäle sich der Verkehr aus und zum Odenwald auf wenigen Straßen durch das Nadelöhr Darmstadt. „Mit dem Auto ist man zwar mobil, aber die Wege sind lang“, sagt Ermisch. Die Bahn ist für ihn keine wirkliche Alternative, weil die Wegzeiten im Vergleich zum Auto meist viel länger sind. „Die Züge halten auch nur in den größeren Städten im Odenwald“, nennt Robert Ermisch ein weiteres Manko. Dann doch lieber seine Wohnung in Darmstadt, zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt, mit kurzen Wegen auch zu den Schulen der Kinder und abwechslungsreichem Angebot drumherum. „Das ist der große Vorteil des städtischen Lebens“, sagt Ermisch mit einem Augenzwinkern. Viel lieber spricht er auch von den Vorzügen, die ihm seine neue Heimatstadt familiär wie beruflich bietet.

Wirtschaftsregion Rhein-Main – wenig Hype, viel Substanz

Etwas Neues wagen, flexibel bleiben und Herausforderung in Handlung umsetzen, das alles liegt dem 41-Jährigem. Seit ein paar Monaten ist er beruflich selbstständig und bietet Beratung sowie Begleitung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten für mittelständische Industrie-Unternehmen. Zuvor arbeitete er bei einem Darmstädter Maschinenbauer, in und für Innovationsabteilungen größerer Unternehmen, entwickelte digitale Produkte und Services für Kunden aus dem Mittelstand und kennt daher all ihre Probleme mit der Digitalisierung. „Unaufgeregt und fokussiert“, bezeichnet Ermisch die Unternehmer in der Rhein-Main-Region. Das mache die Zusammenarbeit sehr angenehm. „Die Region ist mittelständisch geprägt, es gibt weniger Hype und mehr Substanz als anderswo“, sagt Robert Ermisch. Unternehmen in der Region seien gut etabliert in ihren Märkten. Zugleich sei die Innovationsbereitschaft hoch, viele hätten sich bereits schrittweise an das Thema Digitalisierung herangetastet. Allerdings, so Ermisch, ergebe sich für die Unternehmen immer eine Herausforderung: „Im Zuge der Digitalisierung gibt es alles auf einmal, viele Möglichkeiten, viele Abzweigungen und eine hohe Chance, sich zu verlaufen.“ Daher sei Orientierung und Richtungsweisung das Wichtigste. Was klappt, was klappt nicht? Wo fängt man an? Welche Technologie ist notwendig und wo bekomme ich die notwendige Expertise her? Die Beantwortung dieser Fragen und ihre Umsetzung sind tägliches Brot für Robert Ermisch. Hierin sieht er auch konkrete Unterstützung, die die Industrie- und Handelskammern in der Rhein-Main-Region für den Mittelstand leisten können. 

Digitale Wertschöpfungsketten ansässiger Unternehmen fördern

Orte und Situationen für den Austausch zwischen den Unternehmen zu schaffen, sind für ihn konkrete Maßnahmen. „Wenn Themen neu und unstrukturiert sind, geht es im ersten Schritt vor allem um Kommunikation und darum, Vertrauen aufzubauen. Förderlich sind Räume aller Art, in denen Unternehmer mit anderen in Kontakt kommen, die bereits an ihrer digitalen Strategie arbeiten und darüber berichten – sowohl Erfolge als auch Misserfolge. Einschlägige Erfahrungen, ein erfahrener Partner und konkrete Lösungen helfen mehr weiter als ein theoretisches Drei-Stunden-Referat“, berichtet Ermisch aus der Praxis. Macher-Angebote und finanzielle Förderung wie das „Industrie 4.0-Scouting“ des Landes Baden-Württemberg und des VMDA findet er gut.

Die Aufgabe der Kammern sieht er darin, „auch digitale Wertschöpfungsketten aufzuzeigen und Unternehmen an den Stellen zusammenzubringen, wo es Sinn macht.“ Wünschenswert wären „mehr übergreifende Angebote“, so Ermisch. Gleichsam sieht er in der Diversität der Industrie- und Handelskammern, der Unternehmen und vor allem der Menschen der Rhein-Main-Region, die mit unterschiedlichen Erfahrungen und soziokulturellen Hintergründen daherkommen, einen entscheidenden Vorteil. Sie seien die Basis und eine Möglichkeit, gemeinsam Dinge anzugehen und Veränderungen zu bewirken.

Seine familiäre und berufliche Zukunft sieht Robert Ermisch weiterhin in der Rhein-Main-Region. „Von allem ist alles da. Eigentlich muss man die Region gar nicht verlassen“, sagt der Mann, der vor 15 Jahren gekommen war, um zu bleiben.

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Förderprogramm „Betriebliche Kinderbetreuung“

Autor:
  • Veronika Heibing
  • Projektmanagerin PERFORM