26.06.2019 | Mobilität und Verkehr

Gastbeitrag: Wir müssen umsteigen

Ich bin Wiesbadener und das sehr gerne. Ich bin hier aufgewachsen, ich wohne und arbeite hier und mag die Stadt: die interessante Historie, die sich noch heute in den vielen, wunderschönen Gebäuden widerspiegelt, der Mix aus großen Prachtstraßen und kleinen Gassen, das lebendige Stadtleben und große kulturelle Angebot und nicht zuletzt natürlich die Nähe zum Rheingau. Und ich bin definitiv nicht der einzige, der die Vorzüge von Hessens Hauptstadt erkannt hat. Denn die Einwohnerzahl in Wiesbaden ist in den letzen Jahren deutlich angestiegen.

Hinzu kommt, dass es immer mehr Pendler und damit Verkehr in der Stadt gibt. Ich merke das jeden Morgen auf meinem Weg zur Arbeit. Ich fahre circa 2,5 Kilometer auf die Arbeit und laufe dann den letzten. Denn gibt so viel Stau, dass die Busse da, wo es keine Busspur gibt, nicht vorwärtskommen. Im Berufsverkehr bin ich deswegen zu Fuß schneller als mit dem Bus.

Wiesbaden hat eigentlich ein gutes öffentliches Nahverkehrssystem, aber es reicht nicht mehr aus. Die Taktung im innerstädtischen Busverkehr ist bereits sehr hoch – mehr geht nicht, ohne dass es an den Haltestellen zur Rückstaus kommen würde. Andere Verkehrsmittel wie U-, S- oder Straßenbahn gibt es in der Stadt leider nicht. Deshalb müssen wir umdenken.

Und umsteigen müssen wir auch – und zwar vom Auto oder Bus aufs Fahrrad. Im Sommer letzten Jahres hat die Stadt das Angebot an Leihfahrrädern eingeführt. Zusätzlich zu den 150 Bikes, die es schon vorher von einem privaten Anbieter gab, sind noch einmal 500 Leihfahrräder von Wiesbadens ÖPNV-Anbieter ESWE dazugekommen. Und das Angebot kommt gut an. Denn mittlerweile sieht man die orangefarbenen Räder überall in der Stadt.

Wichtig ist, dass der Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel einfach und unkompliziert ist. Bei den ESWE-Leihrädern ist das schon gut gelöst. Man muss sich einmal registrieren und freischalten lassen und kann dann jederzeit losradeln. Über eine App sieht man, an welcher der 50 Stationen es noch freie Bikes gibt. Ich wünsche mir, dass das Angebot weiter ausgebaut wird und auch in die Vororte kommt. Auch könnte man überlegen, die Räder Inhabern von RMV-Zeitkarten kostenlos anzubieten. Man darf 356 Tage im Jahr Bus und Bahn fahren, aber nicht mit dem Fahrrad. – Warum eigentlich nicht? Damit wären die Fahrräder ein fester Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs und es würde sicherlich noch mehr Menschen aufs Rad umsteigen.

Wiesbaden hat viele Pendler, die aus verschiedenen Richtungen, in die Stadt strömen. Die meisten aus dem Taunus und aus Rheinland-Pfalz. Und es ist nicht davon auszugehen, dass sich an dieser Situation in den nächsten Jahren etwas ändern wird. Deshalb müssen wir auch in diesem Bereich neu denken. Man könnte Pendlern, die mit dem Auto nach Wiesbaden kommen, eine Alternative zum Einpendeln in die Stadt anbieten: große Park & Ride-Parkplätze am Ortseingang in den Vororten und von dort aus eng getaktete Busverbindungen in die Stadt. Dadurch würden viele Autos gar nicht erst in die Innenstadt fahren und den Verkehr in der Stadt entlasten.

Jonathan Haberkorn
Autor:
  • Jonathan Haberkorn