18.12.2018 | Flächenentwicklung

Interkommunale Kooperation: Trotz Muss ein Plus

Im Interview erläutert Marion Götz, Erste Stadträtin von Friedberg (Hessen), wie wichtig dabei interkommunale Kooperation ist.

Warum sollen Kommunen kooperieren?

Marion Götz: Der Handlungsdruck auf die Kommunen ist in den letzten Jahren durch die Konsolidierungsbedürftigkeit ihrer Haushalte, wachsende Anforderungen an die Aufgabenerfüllung und den demografischen Wandel stark gestiegen. Interkommunale Zusammenarbeit ist zudem ein Standardbaustein in Haushaltssicherungskonzepten, der von den Kommunalaufsichts- und Prüfbehörden eingefordert wird.

Was sind die Vorteile?

Marion Götz: Man kann dadurch bei zahlreichen Aufgaben große Einsparungen erzielen, die Leistungsfähigkeit von Verwaltung erhöhen, eine besondere Fachkraft gewinnen, die in einer Kommune allein nicht ausgelastet wäre. Oder den Verwaltungsaufwand bei der Beschaffung von Büromaterial, Verkehrsschildern, Fahrzeugen oder Energie deutlich reduzieren.

Das Vergabewesen in den Kommunen ist ein rechtlich sehr kompliziertes Verfahren. Durch eine zentrale Kompetenzstelle und gemeinsame Beschaffungen ist für alle Kommunen zu den Einsparungen ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu erreichen.

Bei Strom und Gas etwa waren das im Kreis Groß-Gerau Millionenbeträge. Man kann aber auch das Know-how austauschen, und manche kleinere Kommunen können nur dank IKZ bestimmte Aufgaben überhaupt noch für ihre Einwohner erbringen.

Welche Aufgaben können Städte denn gut gemeinsam erledigen und welche nicht?

Marion Götz: Es gibt eigentlich keine Aufgabe, die man nicht gemeinsam angehen könnte. Ob es Vorteile hat, muss man in jedem Einzelfall prüfen. Nicht alles ist für jede Kommune vorteilhaft. Die Abrechnung der Bezüge städtischer Mitarbeiter etwa ist nach rationalen Erwägungen ein Thema, das danach ruft, gemeinsam bearbeitet zu werden.

Obwohl es theoretisch sinnvoll wäre, ist es in unserem Kreis jedoch nach Projektabschluss noch nicht zu weiteren Kooperationen gekommen. Zum Teil aus psychologischen Gründen, weil man sich nicht vorstellen kann, dass der Lohn der eigenen Mitarbeiter nicht im eigenen Haus abgerechnet wird, aber auch aus organisatorischen Gründen. Erst äußere Faktoren - also etwa, wenn ein Mitarbeiter in Rente geht - sind oft der Anlass für Kommunen, sich ganz praktisch mit der Umsetzung von IKZ zu befassen.

Es zu wollen ist das eine, es aber konkret umzusetzen, die eigene Organisation anzupassen, ist ein Akt, der in der inneren Verwaltung größere Kreise zieht. Die Umsetzung hängt teilweise auch davon ab, ob Beteiligte auf verschiedenen Ebenen eher konfliktscheu oder konfliktbereit sind. Und sie hängt generell von der Bereitschaft ab, sich auf so einen Prozess einzulassen.

An unseren IKZ-Prüfprojekten, die der Umsetzung jeweils vorgeschaltet sind, beteiligen sich stets zwischen 10 und 15 der 15 Kreiskommunen. Bei Themen, bei denen allgemeiner Konsens besteht, wie etwa bei der gemeinsamen Beschaffung von Material, haben wir auch eine sehr hohe Beteiligung in der Umsetzung.

Warum tun sich manche Kommunen noch immer so schwer damit, umfassend zusammen zu arbeiten?

Marion Götz: Das hat verschieden Gründe: Zum einen weckt die einheitliche Methodik, das systematische Vorgehen bei vielen nicht so großes Interesse, weil viele nur direkt in ein einzelnes Projekt rein springen wollen. Mein Ansatz ist, mich erst einmal mit dem Verfahren zu befassen. Also: Interessen klären, eine Bestandsaufnahme machen, eine einheitliche Vorgehensweise entwickeln, Standards des Projektmanagements umsetzen.

Jedes Projekt läuft gleich ab bei uns. Wir bilden eine Projektgruppe aus den Beteiligten, den Fachleuten der Kommunen, damit diese ihr Know-how einbringen können, und entwickeln nichts am grünen Tisch. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass sich die Kolleginnen und Kollegen oftmals das erste Mal überhaupt begegnen, obwohl sie schon immer dieselben Aufgaben wahrgenommen haben. Daraus entsteht Vertrauen, weil man über einen längeren Zeitraum im Projekt zusammen arbeitet.

Manchmal bestehen aber auch Berührungsängste, mit Dritten intensiver in Kontakt zu treten. Man muss Daten austauschen, manchmal auch seine Abläufe anpassen oder feststellen, dass die Aufgaben besser woanders wahrgenommen werden. Das bringt immer Veränderungen mit sich. Auch die ehrenamtliche Politik muss am Ende ihren Segen dazu geben und entsprechende Beschlüsse fassen.

Ein aktuelles Projekt betrifft den Mangel an Wohnraum im Rhein-Main-Gebiet. Wie kann IKZ mehr Wohnraum schaffen? Der verfügbare Grund und Boden bleibt ja begrenzt …

Marion Götz: Zunächst durch eine einheitliche Bestandsaufnahme aller beteiligten Städte. Handlungsansätze, die in einem Pilotprojekt im Auftrag des Kreises Groß-Gerau von einem Fachbüro für die Gemeinde Stockstadt am Rhein entwickelt wurden, bringen wir in die Breite. Wir prüfen, wie wir eine Struktur, schaffen können, die imstande ist, das für die Kommunen abzuarbeiten.

Kleine und mittlere Kommunen können in der Regel nicht im Alleingang Fachleute an Land ziehen, die strategisch und in der ganzen Breite qualifiziert die Aktivierung von Wohnraumpotenzial der Städte im Innenbereich leisten können. Wir streben eine zentrale Stelle an, an die sich die Kommunen wenden können.

Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass man sehr vielfältige Handlungsfäden sortiert zusammenführen muss, um die komplexe Aufgabe der Innenentwicklung zu lösen: an Stellen, wo Wohnraum nicht ausreichend ausgenutzt wird, Flächen brach liegen, Wohnungen oder ganze Gebäude leer stehen. Dazu sind nicht nur oft schwierige Eigentumsfragen, Fragen der Bauplanung und Sanierung zu klären. Dazu muss man natürlich auch an die Beteiligten im richtigen Ton herantreten, um sie dafür zu gewinnen. IKZ kann das leisten.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.ikz.imkreisgg.de/fileadmin/Downloads/Informationen/IKZ-Broschuere_Vorbildliche_Projekte.pdf

Marion Götz (52) arbeitet seit Juli 2018 als Erste Stadträtin von Friedberg (Hessen), kennt den Wetteraukreis schon aus vorherigen Tätigkeiten gut und war zuletzt zehn Jahre lang Leiterin des Fachbereichs Zentrale Dienste und Finanzen der Stadt Raunheim im Kreis Groß-Gerau. Dort hat sie den Prozess Interkommunaler Zusammenarbeit so systematisiert, dass sich damit immer weitere und neue Projekte bearbeiten lassen. Nun überträgt sie ihre Arbeit auch in den Wetteraukreis.

Autor:
  • Veronika Heibing
  • Projektmanagerin PERFORM