09.12.2020 | Flächenentwicklung

Zukunftsfähige Gewerbegebiete: „Mobilität ist für Unternehmen essentiell“

Tino Hahn (links) und Herbert Pest. (c) privat

In vielen Gewerbegebieten besteht Handlungsbedarf in Sachen Mobilität. So lautete das Ergebnis der 2019 gemeinsam von der IHK Darmstadt und der Hochschule Darmstadt durchgeführten Untersuchung „Zukunftsfähige Gewerbegebiete“. Um die Defizite genauer unter die Lupe zu nehmen, hat Perform in diesem Jahr ein Folgeprojekt gestartet. Studierende des Studiengangs „Mobilitätsmanagement“ der Hochschule RheinMain in Wiesbaden haben sich die Verkehrssituation in dem Gewerbegebiet Griesheim Nord exemplarisch angeschaut. Dort ansässige Unternehmen wie die Firmengruppe Friedrich oder die Regionalvertretung der AXA Versicherung haben sie bei ihrer Arbeit vor Ort unterstützt.

PERFORM: Warum haben Sie sich bei dem Projekt der IHK Darmstadt und der Hochschule RheinMain engagiert?

Herbert Pest: Unser Firmenverbund hat viel mit Mobilität zu tun. Das Griesheimer Umzugsunternehmen Friedrich Friedrich gehört zu den führenden Unternehmen in der deutschen Umzugsindustrie. Aber auch für unsere anderen in Griesheim ansässigen Unternehmen, KS Büromöbel, die Drive-in-Selfstorage-Anlage SB Lagerhause und Logserv hat das Thema große Relevanz. Mobilität ist für Unternehmen essentiell. Die Bedeutung von Logistik hat enorm zugenommen. In den letzten zwei bis drei Jahren haben immer mehr Firmen eine eigene Logistik-Abteilung in ihrem Unternehmen aufgebaut.

Tino Hahn: Ich wollte das Projekt unterstützen, weil ich es zum einen sehr begrüße, dass sich Wirtschaft, Wissenschaft und Kommune mit Mobilität beschäftigen. Dieses Thema, davon bin ich überzeugt, wird in Zukunft noch an Bedeutung zunehmen. Zum anderen habe ich mich bei dem Gemeinschaftsprojekt der IHK Darmstadt und der Hochschule RheinMain engagiert, weil wir hier, im Gewerbegebiet Griesheim Nord, tatsächlich einen Mangel haben, der dringend behoben werden muss.

PERFORM: Wo liegt denn Ihrer Meinung nach der größte Handlungsbedarf bezogen auf den Verkehr im Gewerbegebiet Griesheim Nord?

Herbert Pest: Das ist eindeutig die unzureichende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Von Darmstadt nach Griesheim Nord mit öffentlichen Verkehrsmittel zu kommen ist eine halbe Weltreise. Denn von der Straßenbahnhaltestelle müssen die Menschen ins Gewerbegebiet laufen und das fast einen Kilometer. Es gibt keinerlei Busverbindung. Unsere Mitarbeiter sind also mehr oder weniger gezwungen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Wer das nicht möchte, hat schlechte Karten und wir dadurch natürlich auch. Da hilft das beste Personal-Recruiting nicht, wenn es nicht möglich ist, dass Mitarbeiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren können.

Tino Hahn: Das mangelnde Nahverkehrsanagebot ist sicherlich das größte Defizit im Gewerbegebiet Griesheim Nord. Das ist für viele Mitarbeiter von hier ansässigen Unternehmen ein Problem und auch für unsere Kunden. Wer nicht gut zu Fuß ist, hat es ohne Auto schwer, zu uns zu kommen. Das Gewerbegebiet, das früher nur lang war, ist durch die Ansiedlung zahlreicher Unternehmen sehr in die Breite gewachsen, so dass jetzt von der Straßenbahnhaltestelle beachtliche Strecken zurückgelegt werden müssen.

PERFORM: Wie könnte das Problem der fehlenden Verkehrsanbindung denn behoben werden?

Herbert Pest: Ich verstehe nicht, warum es keine Busverbindung gibt, die in das Gewerbegebiet führt. Griesheim Nord hat eine sehr gute Infrastruktur. Hier gibt es viele Lebensmittelgeschäfte, einen Drogeriemarkt und andere Einzelhändler – Menschen, die dort einkaufen, hätten dann auch die Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin zu kommen. 

Tino Hahn: Seit vielen Jahren gibt es Machbarkeitsstudien über eine Buslinie in das Gewerbegebiet. Mir ist absolut unverständlich, warum das noch nicht umgesetzt wurde. Damit wäre vielen Menschen geholfen und gleichzeitig würde es dazu beitragen, den Pkw-Verkehr, der in den vergangenen Jahren extrem zugenommen hat, etwas zu minimieren.

PERFORM: Immer mehr Menschen wollen mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Ist das in Griesheim Nord problemlos möglich?

Herbert Pest: Im Vergleich zu anderen Gemeinden hat der Kreis Darmstadt-Dieburg eine sehr gute Fahrradinfrastruktur mit vielen Radwegen. Sich darüber zu beklagen, wäre Jammern auf hohem Niveau. Auch wir haben festgestellt, dass das Fahrrad verstärkt genutzt wird, um damit zur Arbeit zu kommen. Deshalb haben wir die Fläche erweitert, die von unseren Mitarbeitern als Fahrradabstellplatz genutzt werden kann.

Tino Hahn: Es gibt einen Fahrradweg, der bis zum Nordring – der Hauptverkehrsstraße des Gewerbegebiets – führt. Dass das Rad für immer mehr Menschen eine Alternative zu anderen Verkehrsmitteln darstellt, liegt sicherlich auch an den E-Bikes, mit denen man schneller und weniger anstrengend unterwegs ist. Allerdings darf man nicht vergessen, dass diese Fortbewegungsart sehr wetterabhängig ist. Wenn es regnet, schneit oder sehr kalt ist, scheidet das Fahrrad für viele als Verkehrsmittel aus.

PERFORM: Was ist Ihnen persönlich in punkto Mobilität wichtig?

Herbert Pest: Wir müssen das Thema Mobilität generell überdenken. Die langen Pendelzeiten zur Arbeit sind für die Menschen schlecht, aber auch volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Außerdem belasten sie die Umwelt. Wir müssen uns intensiv mit der Frage beschäftigen, wie wir unsere Mitarbeiter schneller und besser an ihren jeweiligen Arbeitsstandort bekommen.

Tino Hahn: Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde, denn beim Klima- und Umweltschutz ist es nicht mehr fünf, sondern eine Minute vor 12. Wir müssen zukunftsweisend denken und beim Thema Klimaneutralität innovativ werden. Rund um den Bereich CO2 gibt es sehr viel zu tun und die Städte müssen ihre Infrastruktur diesbezüglich gestalten etwa durch den Einsatz von mit Wasserstoff betriebenen Bussen.

Informationen zum Projekt:

Autor:
  • Veronika Heibing
  • Projektmanagerin PERFORM