08.01.2020 | Mobilität und Verkehr

Die Peripherie besser anbinden!

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Die Attraktivität Frankfurts, pulsierender Kern der Metropolregion FrankfurtRheinMain, wächst. Die Gründe sind vielfältig: Die Arbeitsmarktdaten sind gut, die zentrale Lage in Deutschland samt hervorragender internationaler Vernetzung durch den Flughafen und das Eisenbahndrehkreuz locken Unternehmen aus der ganzen Welt und aus allen Branchen an Rhein und Main. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der Frankfurt-Pendler im vergangenen Jahr noch einmal um 14.000 Personen auf insgesamt 376.000 Menschen erhöht. Ein attraktives Umfeld, ein gut ausgebauter Nahverkehr und ein dichtes Straßennetz, aber auch der zunehmende Mangel an Wohnraum in Frankfurt führen in Verbindung mit einer zunehmenden Verteuerung dazu, dass Berufstätige immer mehr die Metropolregion als Ganzes als Lebensraum begreifen und längere Fahrtwege zur Arbeit in Kauf nehmen. „Menschen scheren sich nicht mehr um Gemeinde- oder Landesgrenzen“, kommentierte die Geschäftsführerin der Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) Eva Kreienkamp in einem Blog-Beitrag diese Entwicklung. Kreienkamp zufolge wollen die Menschen eine Form von Grenzenlosigkeit erleben, die ihnen die Metropolregion FrankfurtRheinMain bietet.

Auf dem ersten Blick liegt die Pendlerhochburg Frankfurt genau in der Mitte eines Schienennetzes, dessen Fäden sich etwa von Gießen nach Darmstadt oder von Mainz nach Hanau erstrecken. Doch nicht alle Fäden beginnen oder enden in Frankfurt. Viele Bewohner der Peripherie pendeln auch um Frankfurt herum, ohne die Mainmetropole überhaupt betreten zu müssen, vielleicht gar nicht zu wollen. Einer von ihnen ist Alexandros Fragonikolakis, der täglich aus dem südhessischen Dreieich-Offenthal zum Opel-Werk nach Rüsselsheim pendelt. Obwohl beide Gemeinden über eine Bahnanbindung verfügen, bevorzugt Fragonikolakis das Auto, und das nicht nur, weil er berufsbedingt ein Opelaner ist, sondern vor allem, weil die Bahnfahrt, mit der er in Frankfurt umsteigen müsste, die doppelte Zeit beanspruchen würde, als jene 30 Minuten, die es braucht, um ihn über die B486 via Langen und Mörfelden-Walldorf nach Rüsselsheim an seinen Arbeitsplatz zu bringen. Doch das ist die Theorie. In Wirklichkeit braucht Fragonikolakis deutlich länger, da er entweder auf der B486 im Stau steht, oder die Strecke über diverse Autobahnen großflächig umfahren muss. 

Deshalb hat Fragonikolakis auch sofort die Gelegenheit ergriffen, als die Arbeitsgruppe Mobilität bei Perform unter Federführung der IHK Frankfurt am Main einen Ideenwettbewerb initiierte, der stressgeplagte Pendler dazu aufrief, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Der Offenthaler stellte beispielsweise fest, dass es eigentlich nur wenige Abbieger aus Langen sind, die den Verkehrsstrom auf der B486 massiv behindern. Dies ließe sich Fragonikolakis zufolge auflösen, wenn man den geradeausfahrenden Verkehrsstrom auf der zweistreifigen Richtungsfahrbahn der B486 nach Langen von den Linksabbiegern trennen würde.

Die bestehende Ampelregelung an der besagten Kreuzung sollte so umgeschaltet werden, dass die rechte Spur für den Geradeausverkehr, eine Dauergrünphase erhält und die linke Spur durch eine „normale“ Rot-Grün-Schaltung jeweils den Linksabbiegeverkehr von und nach Langen regelt. Perform prämierte Fragonikolakis‘ Vorschlag und gab die Idee an Hessen Mobil weiter, die die praktische Umsetzung prüften. Das führte dazu, dass der Südhesse gleich zweifach belohnt wurde: Denn mehr als die Prämie dürfte Fragonikolakis freuen, dass sein innovativer „Ampelvorschlag“ nun realisiert wird. Ab dem ersten Quartal 2020 werden die Lichtsignalanlagen seinem Vorschlag gemäß umprogrammiert. Dies wird künftig dafür sorgen, dass er seinen Rüsselsheimer Arbeitsplatz wieder häufiger in 30 Minuten erreichen kann.

Darüber freut sich auch Alexander Theiss, Leiter der Arbeitsgruppe Mobilität bei Perform und Geschäftsführer Standortpolitik an der IHK Frankfurt am Main. Er hatte damals den Wettbewerb ins Leben gerufen, weil er die Nutzer der Verkehrswege mehr an den Lösungen der kleinen Probleme beteiligen wollte. „Die neuprogrammierte Lichtsignalanlage an der B486 bei Langen ist eine sinnvolle Verbesserung für die Berufspendler, die täglich diesen Punkt passieren“, so Theiss. Um aber der Gesamtproblematik der wachsenden Verkehrsströme in der Wirtschaftsregion FrankfurtRheinMain zu bewältigen, bedarf es schon größerer und konzertiert ausgeführter Anstrengungen, so der Arbeitsgruppenleiter. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein drohender Verkehrsinfarkt die prosperierende Wirtschaft der Metropolregion behindert und müssen daher beides miteinander verbinden: Eine langfristig orientierte, überregionale und strategische Verkehrsplanung in FrankfurtRheinMain auf der einen Seite und schnelles intelligentes Umsetzen kostengünstiger Ideen auf der anderen Seite“, fordert Theiss.

Der eingangs geschilderte Vergleich zwischen ÖPNV-Nutzung und PKW illustriert dieses Beispiel: Die umweltfreundliche Lösung würde aktuell noch die doppelte Zeit des Opel-Mitarbeiters beanspruchen, denn das Umsteigen in Frankfurt stellt einen Umweg dar. Für die Gemeinschaft aller Pendler wäre es jedoch von Vorteil, wenn zumindest ein Teil auf den Schienenverkehr ausweichen könnte. Hier kommen  mehrere Lösungsansätze in Frage: Der Neubau von Schienen, ebenso  die Elektrifizierung bestehender Strecken oder deren zweigleisiger Ausbau oder die Wiederinbetriebnahme bereits stillgelegter Strecken. Der Einsatz von Schnellbussen erweist sich auf Linien mit geringerem Aufkommen als sehr sinnvoll, zudem ist seine Umsetzung sehr schnell realisierbar.

Ein Beispiel für ein Neubaukonzept ist die geplante Regionaltangente West (RTW), die Dreieich-Buchschlag über die westliche Frankfurter Peripherie mit Bad Homburg verbinden soll. Bahnexperten wie Georg Speck sehen die RTW bereits vor ihrer Entstehung kritisch, weil die stark wachsende Bevölkerung in den südlichen und östlichen Regionen von FrankfurtRheinMain nicht ausreichend davon profitiere, so Speck. Aber auch dafür gibt es Überlegungen, die periphäre Querverbindungen vorsehen.

Dabei zeigt sich nicht zuletzt, dass Städte- und Infrastrukturplanung oft ein Wettlauf gegen die Zeit sind. Das Bevölkerungswachstum und die damit zunehmende Belastung der Rhein-Main-Infrastruktur durch wachsende Pendlerströme vollzieht sich wesentlich schneller, als die Verantwortlichen in der Lage sind, zu handeln. Daher muss es die Aufgabe aller Akteure der Metropolregion FrankfurtRheinMain sein, in Kooperation ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, dass eine schnelle und zentrale Planung und Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen ermöglicht. Ebenso wichtig ist es, Planungsprozesse und -gesetze auf den Prüfstand zu stellen, um dadurch eine Beschleunigung der Umsetzung von Verkehrsinfrastrukturprojekten zu erreichen.

Autor:
  • Veronika Heibing
  • Projektmanagerin PERFORM